Die aktuelle Doppeldiskussion um die Abschaffung von Ehegattensplitting und Witwenrente offenbart einen tiefgehenden weltanschaulichen Graben zwischen Befürwortern und Gegnern dieser Vorschläge.
Was ist die Sicht- und Denkweise der Befürworter von Ehegattensplitting und Witwenrente?
Die Ehe ist ein schützenswertes Gut – was im Übrigen auch immer noch das Grundgesetz so sieht – und dies unabhängig davon, ob aus ihr Kinder hervorgehen; wiewohl die besondere Bedeutung der Ehe (nicht der „Ehe für alle“) natürlich auch daher kommt, dass aus ihr Kinder hervorgehen können und sie ihnen gesicherte Verhältnisse bietet.
In der Ehe schließen sich Mann und Frau zusammen, um ihr Leben miteinander zu teilen – und es nach Möglichkeit weiterzuschenken an ihre Kinder. Das Leben zu teilen beinhaltet auch, gemeinsam zu wirtschaften und gemeinsam den Alltag und die Aufgabenerledigung zu organisieren. Dies kann selbstverständlich auch die Entscheidung beinhalten, dass ein Ehepartner die Erwerbsarbeit übernimmt, während sich der andere um den Haushalt kümmert.
Das Ehegattensplitting anerkennt diese Freiheit der Eheleute, ihr (Ehe)Leben in eigener Verantwortung zu gestalten für die Dauer der Ehe, insofern die Wirtschaftsgemeinschaft Ehe nicht durch die Ausübung ihrer freien Selbstorganisation vom Staat wirtschaftlich benachteiligt wird.
Die Witwenrente anerkennt, dass – neben den Kindern – durch eine Ehe Realitäten geschaffen wurden, die über die Ehe hinaus fortdauern. Die Witwenrente anerkennt außerdem die Lebensleistung von – zumeist – Frauen, die ihr Leben in den Dienst ihres Ehepartners gestellt haben. Die Witwenrente ist so gesehen auch ein Symbol dafür, dass Erwerbsarbeit nicht alles ist, was einem Leben Wert, Würde und Sinn verleiht. Sie ist ein Bollwerk gegen den Materialismus.
Die Abschaffung des Ehegattensplittings ist daher ein Angriff auf die Institution der Ehe, der mittels Besteuerung die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Selbstorganisation genommen wird. Steuerrechtlich wird die Ehe damit auf den Status einer Wohngemeinschaft reduziert – während sie zugleich sozialrechtlich eine Bedarfsgemeinschaft bleibt. Die logische Konsequenz der Abschaffung des Ehegattensplittings wäre es somit, die Ehe auch nicht länger in sozialrechtlicher Hinsicht als Bedarfsgemeinschaft zu behandeln. Dies wiederum bedeutet die staatlich verhängte Entsolidarisierung der Ehegatten. Die Folge wäre, dass der Staat einem der Ehezwecke – nämlich eine Gemeinschaft der Ehegatten zu beider Wohl zu bilden – direkt entgegenwirken würde. Schärfer formuliert: Statt die Ehe, wie es grundgesetzlicher Auftrag ist, zu schützen, würde der Staat die Ehe bekämpfen. Dies gilt mutatis mutandis ebenso für die Abschaffung der Witwenrente.
Die Gegner von Ehegattensplitting und Witwenrente sehen ihre Forderungen demgegenüber als wichtigen Beitrag sowohl zur Gleichstellung der Geschlechter als auch zur Behebung des Fachkräftemangels.
Aus der Perspektive eines Gegners muss ich hier einwenden:
Warum die Gegner von Ehegattensplitting und Witwenrente unrecht haben
- Gleichstellung zielt nicht auf Gleichberechtigung, sondern auf vollständige Parität in allen Bereichen. Das Ziel ist also nicht, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte (und Pflichten) haben. Das Ziel ist die Abschaffung aller sozialer Konsequenzen des geschlechtlichen Unterschiedes. Das ist gleichbedeutend mit der sozialen Unsichtbarmachung und faktischen Abschaffung des geschlechtlichen Unterschiedes. Aller Reden von Diversität zum Trotz wird der geschlechtliche Unterschied, der Unterschied von Mann und Frau, als ein zu lösendes Problem, ein zu überwindendes Übel angesehen. Da dieser geschlechtliche Unterschied in unsere Biologie, in unseren menschlichen Leib eingeschrieben ist, macht dies den menschlichen Leib zur Wurzel dieses Übels. Daraus folgt dann der Kampf gegen den menschlichen Leib, wie man ihn beispielhaft in der Manipulation und Unterdrückung des weiblichen Hormonhaushaltes durch künstliche Verhütungsmittel wie die „Pille“ schon seit einigen Jahrzehnten beobachten kann.
- Der Fachkräftemangel wiederum, so er den besteht, ist die direkte Folge dieses Kampfes gegen den menschlichen Leib, insofern er – erkennbar am sog. „Pillenknick“ – zu einem Einbruch der Geburtenzahlen geführt hat. Vor allem jedoch kann der Fachkräftemangel als Chimäre angesehen werden, als ein Faktor, der nur zählt, weil und insofern man die falschen Parameter zur Beurteilung zugrunde legt. Nüchtern betrachtet erfüllt die Wirtschaft zwei Funktionen:
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- Menschen mit Arbeit versorgen.
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Menschen mit Gütern zum Ge- und Verbrauch versorgen.
Hinsichtlich des ersten Punktes ist der Fachkräftemangel nicht Problem, sondern Segen. Er bedeutet nämlich, dass die Wirtschaft ihre Funktion übererfüllt. Die Folge: Arbeitnehmer sind in einer starken Verhandlungsposition hinsichtlich Gehalt und Arbeitsbedingungen. Die Alternative wäre, dass – und dies war oft und lange genug in der Vergangenheit der Fall – Arbeitnehmer recht beliebig ersetzbar sind und sich damit in einem massiven Abhängigkeitsverhältnis zu den Unternehmern befinden. Sozial denkende Menschen können diesen Zustand nicht herbeisehnen.Hinsichtlich des zweiten Punktes bedeutet der Fachkräftemangel, dass das Angebot an Gütern der Nachfrage seitens der Verbraucher nicht nachkommt. Insofern hiervon elementare Bedürfnisse betroffen sind wie Lebensmittel, Kleidung und Behausung ist dies ein ernstes Problem. In allen anderen Fällen ist die unmittelbare Folge ein geringerer Ressourcenverbrauch, was unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Klimaschutzes erst einmal zu begrüßen ist. Wie man damit umgeht, dass unter Umständen infolge eines Investititonsstaues aufgrund ausbleibender Effizienzsteigerungen mehr Ressourcen verbraucht werden, ist einerseits eine politisch zu lösende Frage, düfte andererseits aufgrund ausbleibender Rebound-Effekte aber auch nicht so folgenschwer sein. Darüber hinaus versetzt es die Verbraucher aber auch in die, zugegebenermaßen nicht immer gewollte, Lage, Rücklagen zu bilden, sei es für künftige Notlagen oder Investitionen.
Ein eigentliches Problem stellt der Fachkräftemangel so gesehen nur für zwei Größen dar: die Unternehmer, die Fachkräften höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen bieten müssen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, und der Staat, der von einem beständigen Wirtschaftswachstum abhängig ist, um seine beständig steigenden Ausgaben zu bestreiten. Für den Staat wäre die Konsequenz also, dass er sparsamer haushalten müsste. Das schlechteste wäre das auch nicht.