Naturverbundenheit

In seiner Enzyklika Laudato si lobt Papst Franziskus seinen Namenspatron, den heiligen Franz von Assisi, als „Beispiel schlechthin…für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie“.[1]Laudato si Nr. 10 An ihm werde man gewahr, „bis zu welchem Punkt die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede untrennbar miteinander verbunden sind.“[2]Ebd.

Dabei zeichnete ihn Folgendes aus:

„Seine Reaktion war weit mehr als eine intellektuelle Bewertung oder ein wirtschaftliches Kalkül, denn für ihn war jedes Geschöpf eine Schwester oder ein Bruder, ihm verbunden durch die Bande zärtlicher Liebe. Deshalb fühlte er sich berufen, alles zu hüten, was existiert.[3]Ebd. Nr. 11.

In den Augen von Papst Franziskus ist Naturverbundenheit nicht einfach eine Sentimentalität, ein „irrationaler Romantizismus“[4]Ebd.. Sie besitzt eine ethische Relevanz, „denn sie hat Konsequenzen für die Optionen, die unser Verhalten bestimmen.“[5]Ebd.

Naturverbundenheit

Es ist ein Unterschied, ob „unser Verhalten das des Herrschers, des Konsumenten oder des bloßen Ausbeuters der Ressourcen“ ist, „der unfähig ist, seinen unmittelbaren Interessen eine Grenze zu setzen.“[6]Ebd. Oder aber wir uns „allem, was existiert, innerlich verbunden fühlen“, so dass „Genügsamkeit und Fürsorge von selbst aufkommen.“[7]Ebd.

Diese innerliche Verbundenheit gründet in einer „Offenheit für das Staunen und das Wunder“.[8]Ebd. Man kann hier auch von einer kontemplativen Grundhaltung sprechen, mit der man der Welt im Allgemeinen und der Natur im Besonderen begegnet. Eine solche „Offenheit für das Staunen und das Wunder“, eine solche kontemplative Grundhaltung kommt nicht von selbst.

Ganz besonders kommt sie nicht von selbst in unserer von Reizüberflutung und Besitzstreben geprägten Zeit. Was es daher braucht ist eine ästhetische Erziehung,[9]Ebd. Nr. 215. die uns lehrt, „innezuhalten, um das Schöne wahrzunehmen und zu würdigen,“ denn wenn jemand dies nicht lernt, „ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann.“[10]Ebd.

Naturverbundenheit

Lobend hebt er hier in seinem Nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia die lateinamerikanischen Volksdichter hervor, über die er sagt:

„Die Volksdichter, die sich in seine unermessliche Schönheit verliebt haben, haben versucht, zum Ausdruck zu bringen, was sie der Fluss [der Amazonas] verspüren ließ, und das Leben, das er beim Vorüberziehen schenkt, mit einem Reigen von Delfinen, Anakondas, Bäumen und Kanus zu umschreiben. Sie bedauern zugleich die Gefahren, die ihn bedrohen. Diese Dichter sind kontemplativ und prophetisch, sie helfen uns, uns vom technokratischen und konsumistischen Paradigma zu befreien, das die Natur erstickt und uns einer wahrhaft würdigen Existenz beraubt.“[11]Querida Amazonia Nr. 46.

Wie an anderer Stelle ausgeführt, erfordert die Entwicklung einer kontemplativen Grundhaltung aber auch ein vollständigeres Wissenschaftsverständnis, das die durch frühneuzeitliche Denker wie René Descartes und Francis Bacon bewirkte Engführung und Verkürzung überwindet. Naturverbundenheit hat nicht allein ein ästhetisches oder spirituelles Fundament, sondern ebenso ein intellektuelles.

Hierzu gehören auch eine Anthropologie und Ontologie, die anerkennen, dass wir selbst nicht als Fremde der Natur gegenüber treten, sondern selbst Teil der Natur sind. In den Worten von Papst Benedikt XVI. vor dem deutschen Bundestag:

„Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur“[12]Rede von Papst Benedikt XVI. vor dem deutschen Bundestag

Auch das hat ethische Konsequenzen. Es gibt, wieder in den Worten von Papst Benedikt XVI., eine „Ökologie des Menschen“, die es zu beachten gilt.[13]Ebd.

Mit anderen Worten: Es gibt Rahmenbedingungen und Grundentscheidungen, unter denen menschliches Leben aufblüht und solche unter denen es verkümmert und abstirbt. Wenn wir unsere eigene Ökologie missachten, spricht nichts dafür, dass wir die übrige Ökologie achten werden. Unsere eigene Ökologie zu achten beginnt aber damit, „Zu [sic] lernen, den eigenen Körper anzunehmen, ihn zu pflegen und seine vielschichtige Bedeutung zu respektieren“, denn unser Körper stellt „uns in eine direkte Beziehung zu der Umwelt und den anderen Lebewesen“.[14]Laudato si 155.

Nur auf diese Weise können wir wieder zu einer inneren Verbundenheit mit der Natur finden, aus der dann auch Genügsamkeit und Fürsorge – man könnte auch sagen: Arbeit nach dem Muster der Hirtentätigkeit – von selbst folgen.[15]Vgl. ebd.

Fazit: Naturverbundenheit und Ökologie

Die gegenwärtig vorherrschende Mentalität unterstellt einen Gegensatz, einen Dualismus zwischen Mensch und Natur. Ihren Ursprung hat diese Mentalität in den philosophischen Voraussetzungen frühneuzeitlicher, individualistischer Denker wie Descartes, Bacon sowie Thomas Hobbes und John Locke. Mit Hilfe der Technik formt der Mensch die als Objekt, als Gegenstand, als Wirtschaftsgut begriffene Natur um, wobei er als homo oeconomicus dem zweckrationalen Ziel der Nutzenmaximierung folgt. Grün lackiert läuft dies dann unter den Slogans „ressourcenschonend“ und „Nachhaltigkeit“. In dieser Mentalität wird der Natur mit einer latenten oder offenen Missachtung begegnet.[16]Das Spiegelbild hierzu sind radikale ökologische Strömungen, welche die Erde als eigenständiges Lebewesen ansehen und den Menschen als Virus betrachten. Dies wirkt sich notwendigerweise auf den Umgang mit ihr aus – und auf den Umgang der Menschen untereinander, die eben doch auch Teil der Natur sind.[17]Caritas in Veritate 51

Vor diesem Hintergrund braucht es nichts weniger als einen Mentalitätswandel. Dies beinhaltet sowohl unser Verhältnis zur Natur im Allgemeinen wie zu uns Menschen im Besonderen.

Generell braucht es einen Bruch mit dem eben skizzierten technizistischen Weltbild.[18]Ebd. Nr. 70 In Bezug auf die Natur verlangt dies wieder neu das Staunen über ihre Schönheit zu erlernen. Dies erfordert einerseits eine besondere ästhetische Erziehung, andererseits eine Weitung unseres durch die Verfechter des technokratischen Paradigmas verengten Wissenschaftsverständnisses.

In Bezug auf uns Menschen verlangt es anzuerkennen, dass uns unser Menschsein einen Rahmen vorgibt, den zu überschreiten wir nur auf Kosten unseres individuellen wie kollektiven Wohlergehens in der Lage sind.

References

References
1 Laudato si Nr. 10
2 Ebd.
3 Ebd. Nr. 11.
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Ebd.
7 Ebd.
8 Ebd.
9 Ebd. Nr. 215.
10 Ebd.
11 Querida Amazonia Nr. 46.
12 Rede von Papst Benedikt XVI. vor dem deutschen Bundestag
13 Ebd.
14 Laudato si 155.
15 Vgl. ebd.
16 Das Spiegelbild hierzu sind radikale ökologische Strömungen, welche die Erde als eigenständiges Lebewesen ansehen und den Menschen als Virus betrachten.
17 Caritas in Veritate 51
18 Ebd. Nr. 70