Bindungsfähigkeit fördern

Bindungsfähigkeit ist essentiell für gelingende Beziehungen und persönliches Wohlergehen. Ein erfüllendes Ehe- und Familienleben ist daher auf Menschen angewiesen, welche die Eigenschaft besitzen, wissentlich, aus eigenem Antrieb, beständig sowie mit Leichtigkeit und Freude tiefe emotionale Bindungen zu anderen Menschen einzugehen, kurz: welche die Tugend sicherer Bindung besitzen.

Bindungsfähigkeit bietet einen Schutz vor Scheidung, Promiskuität und selbst Abtreibung.[1]62 % aller Abtreibungen im Jahr 2021 wurden von unverheirateten Frauen in Auftrag gegeben.

Auf der anderen Seite ist die Familie der primäre Lernort zum Erwerb von Bindungverhalten. Bindungsfähigkeit ist also nicht nur wichtig für Ehe und Familie. Ehe und Familie sind ebenso wichtig für die Bindungsfähigkeit, konkreter: die Art und Weise, wie Ehe und Familie gelebt werden.

Die Förderung von Bindungsfähigkeit ist darüber hinaus ein Beitrag gegen Bindungs-, Beziehungs- und Gefühlsarmut und damit ein Baustein einer ganzheitlichen Option für die Armen.

Da bindungsfähige Menschen Beziehungen einerseits einen hohen Wert beimessen und andererseits in hohem Maße beziehungsfähig sind, ist die Förderung von Bindungsfähigkeit schließlich auch ein Beitrag zum sozialen Frieden.

Paradigmenwechsel in der frühkindlichen Förderung

Da Bindungsverhalten insbesondere in der frühen Kindheit erworben wird, muss in der frühkindlichen Förderung ein Umsteuern weg von der frühkindlichen Bildung hin zur frühkindlichen Bindung erfolgen.

Das Ziel muss sein, dass jeder Mensch in dieser für seine weitere Entwicklung so wesentliche Phase seines Lebens mindestens eine Person hat, zu der er eine sichere Bindung aufbauen kann. Hierfür prädestiniert ist an sich die Mutter, da durch Schwangerschaft und Stillzeit bereits eine enge körperliche und emotionale Verbindung besteht.

Bindungsfähigkeit fördern

Allerdings können Mütter, deren Bindungstyp selbst unsicher ist, keine sichere Bindung bieten. Von daher ist es beruhigend zu wissen, dass die Versorgung mit einer sicheren Bindung dann auch durch andere Personen gewährleistet werden kann, allen voran natürlich der Vater.

Im Fall von Ehepaaren, bei denen Vater und Mutter einen unsicheren Bindungstyp aufweisen, können jedoch beide Eltern keine sichere Bindung bieten. Hier stößt die Klein- bzw. Kernfamilie also an ihre Grenzen.

Mehr noch: Da Bindungsverhalten häufig von Generation zu Generation weitergegeben wird, scheiden in diesem Fall wahrscheinlich auch Großeltern und andere Blutsverwandte als potentielle Versorger mit einer sicheren Bindung aus.

Kita als Alternative zu Vater und Mutter?

Bieten hier Betreuungseinrichtungen eine mögliche Alternative? Mehrere Gründe sprechen dafür, dass dies nur sehr eingeschränkt der Fall sein kann.

Zum einen ist eine pädagogische Ausbildung – so sie denn vorhanden ist – kein Garant für das Vorhandensein eines sicheren Bindungstyps. So kann es kommen, dass die emotionale Reife nicht mit der kognitiven Entwicklung Schritt gehalten hat und infolgedessen das vorhandene theoretische Wissen nicht praktisch umgesetzt werden kann.

Zum anderen erschwert die hohe Personalflukation infolge von Stellenwechseln, Elternzeiten, krankheitsbedingten Ausfällen und Verrentung den Aufbau von Bindungen. Während dies für ohnehin sicher gebundene Kinder kein Problem darstellt, sieht das für unsicher gebundene Kinder – also gerade jene, um die es hier geht – anders aus.

Schließlich wirkt der massive Personalmangel potentiell dahingehend, dass bei der Auswahl von Auszubildenden und Angestellten die Ansprüche, auch an das Bindungsverhalten, eher abgesenkt als erhöht werden. In dieser Hinsicht ist also eher mit einer (weiteren) Verschlechterung zu rechnen.

Dies gilt umso mehr, wenn versucht wird, durch Lohnerhöhungen den Beruf der Erzieherin attraktiver zu machen. Dieser Versuch appelliert an die extrinsische Motivation und wird daher eher jene ansprechen, die für extrinsische Motivation empfänglich sind, als jene, die eine intrinsische Motivation haben.

Mit anderen Worten: Aufgrund höheren Gehalts werden sich eher Personen für den Erzieherberuf entscheiden, denen Geld relativ gesehen wichtiger und Beziehungen (hier zu Kindern) relativ gesehen unwichtiger sind. Das sind aber just Personen des unsicher-distanzierten Bindungstyps, nicht jene des sicheren Bindungstyps.

Schließlich legt eine kanadische Studie auch nahe, dass Krippenbetreuung sich negativ auf das Erziehungsverhalten der Eltern auswirkt. Dieses wurde demnach inkonsistenter und sogar feindseliger.

Was braucht es dann, um Bindungsfähigkeit zu fördern?

Die Kern- bzw. Kleinfamilie aus Vater, Mutter, Kind(ern) muss integriert sein in eine erweiterte Familie[2]vgl. Amoris laetitia Nr. 187 – 198, die nicht nur aus den Blutsverwandten besteht, bzw. eine Gemeinschaft von Familien, die Kindern die Möglichkeit gibt, bereits in der frühen Kindheit und im Säuglingsalter auch außerhalb ihrer engeren Familie sichere Bindungen aufzubauen, zumindest sofern erforderlich.

Dies bedingt, dass die erweiterte Familie bzw. Gemeinschaft von Familien nicht nur punktuell im Leben der Kernfamilien und damit der (Klein)Kinder auftaucht, also an Wochenenden, in den Ferien oder an den Randzeiten des Tages, sondern im Alltag präsent ist.

Solidarische Formen des Wirtschaftens können hierfür die ökonomische Basis liefern. Deren Förderung kommt also auch eine pädagogische Bedeutung zu. 

Durch die Förderung von Existenzgründungen und eine (Wieder)Einführung des Betreuungsgeldes kann Eltern die Zeitsouveränität (zurück)gegeben werden, um neue Bande der Solidarität mit anderen Familien zu knüpfen.

Pädagogische Fachkräfte können Kern- und erweiterte Familien mit Begleitung und Beratung, Koordination sowie Informations- und Wissensvermittlung unterstützen und darin ein neues Betätigungsfeld finden.

Darüber hinaus ist es wichtig, auch jene Menschen, die ihre frühkindliche Phase bereits verlassen haben, in ihrem Bindungsverhalten zu stärken. Bereits Jugendliche sollten in der Schule wiederholt dazu angeleitet werden, ihr eigenes Bindungsverhalten zu reflektieren.

Aufklärungskampagnen können zur Herausbildung eines entsprechenden gesellschaftlichen Bewusstseins beitragen. Es braucht Investitionen in Forschung, Beratungs- und Therapiemöglichkeiten.

Schließlich kann der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen so korrigieren, dass bindungsschädliches Verhalten gehemmt und bindungsfreundliches Verhalten gefördert wird.

So sollte das Scheidungsrecht so reformiert werden, dass es auf die Wiederherstellung der vollen ehelichen Gemeinschaft zielt und die Möglichkeit der Scheidung nur als Ausnahmeregelung in Härtefällen vorsieht. Eine Beschränkung des Zugangs zu künstlichen Verhütungsmitteln kann promiskem Verhalten entgegenwirken.

References

References
1 62 % aller Abtreibungen im Jahr 2021 wurden von unverheirateten Frauen in Auftrag gegeben.
2 vgl. Amoris laetitia Nr. 187 – 198