Viel ist geschrieben worden über die Aufmerksamkeitsökonomie. In der Überflussgesellschaft, in der wir leben, ist unsere Aufmerksamkeit zu einem der umkämptesten Güter überhaupt geworden. Nicht nur Werbetreibende klassischer Provinienz buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Das Internet ist voll mit Klein- und Kleinstunternehmern, Ich-AGs und Freiberuflern, deren Einkommen wesentlich davon abhängt, die Aufmerksamkeit der Internetnutzer zu gewinnen und zu erhalten; von den Global Playern wie Google, Facebook, Twitter und Instagramm ganz zu schweigen.

In der multimedialen Wunderwelt unserer Tage bleibt nichts unversucht, Aufmerksamkeit zu generieren, um hieraus Profit zu schlagen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass dabei am Ende die Internetnutzer selbst, wir alle, die Ressource sind und wie unsere Wirtschaft in erheblichem Umfang auf die – oftmals hemmungslose – Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Öl und Gas ausgerichtet ist, so werden auch wir durch die Aufmerksamkeitsindustrie teilweise hemmungslos ausgebeutet, indem diese an unsere niedersten Instinkte appelliert, um uns so zu ködern und einzufangen.

Ein solches Phänomen, das in den letzten Jahren weite Beachtung und Bekanntheit gefunden hat, sind sicherlich die sog. Fake News. Doch ist das bei weitem nicht das einzige. Ein weiteres solches Phänomen ist die nahezu ungehemmte Verbreitung von Pornographie, welche gleichermaßen die Seelen von Produzenten wie Konsumenten zerstört und dabei Beziehungsunfähigkeit und sexuelle Funktionsstörungen wie erektile Dysfunktion fördert. Pornographiekonsum mindert die Empathie- und Bindungsfähigkeit ebenso wie die sexuelle Zufriedenheit. Es droht die Entwicklung einer Abhängigkeit und fördert die Toleranz von und Bereitschaft zu sexueller Gewalt.

Pandemie der Pornosucht

Pornographie ist gerade deshalb so problematisch, weil sie einen der am tiefsten verankerten Triebe von uns Menschen anspricht: den Sexualtrieb. Einer solchen Versuchung auf Dauer zu widerstehen ist, für die meisten jedenfalls, nahezu unmöglich. Das Problem ist, dass wir Menschen visuelle Wesen sind, und besonders gilt dies für uns Männer. Pornographie stellt daher eine machtvolle Versuchung dar. Doch wenn man ihr erliegt, kann sie einen von Grund auf zerstören. Dieses zerstörerische Potential zeigt sich in der Pandemie der Pornosucht, eine der wenigen Süchte, die zum einen gesellschaftlich noch sehr tabuisiert sind und zum anderen kaum ernst genommen zu werden scheint, vermutlich, da sie ja scheinbar den Körper nicht schädigt. Dennoch gilt: Pornosüchtige brauchen Hilfe.

Doch nicht alles Problematische ist so offensichtlich wie Fake News und Pornographie. Schon allein die pure Masse an Reizen, die tagtäglich via Smartphones, Tablets und Co. auf uns einströmen, können – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen – zu massiven Problemen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Sprachschwierigkeiten, Seh- und Hörstörungen führen.

Jenseits der Aufmerksamkeitsökonomie

Was es angesichts dessen braucht ist einen Übergang von einer Aufmerksamkeitsökonomie hin zu einer Aufmerksamkeitsökologie. Die Aufmerksamkeitsökonomie nimmt die Perspektive der Wirtschaft, der Industrie ein, die unsere Aufmerksamkeit als eine auszubeutende Ressource betrachtet. In der Aufmerksamkeitsökologie dagegen muss es um unsere eigene Perspektive gehen. Wir selbst müssen unsere Aufmerksamkeit in den Blick nehmen, aber nicht als eine auszubeutende Ressource, sondern als ein zu schützendes Gut.

Wir selbst müssen Verantwortung dafür übernehmen, unsere Aufmerksamkeit vor der Verschmutzung durch Informationsmüll zu schützen, insbesondere vor dem Giftmüll der Fake News und der Pornographie, durch Wachsamkeit im Umgang mit den diversen Medien. Hier wird es auch darum gehen, zu überprüfen, welches dahinter liegende Bedürfnis wir eigentlich durch den Medienkonsum befriedigen wollen und ob es nicht geeignetere und für uns persönlich ertragreichere Wege gibt, diese Bedürfnisse zu stillen. Soll zum Beispiel Langeweile bekämpft werden, würde sich die Frage stellen, ob es nicht besser wäre, einmal die Langeweile einfach auszuhalten und abzuwarten, was für kreative Kanäle oder auch Gelegenheiten zu analogen Begegnungen sich dadurch vielleicht auftun würden. Smartphone oder Tablet öfter einmal aus der Hand zu legen kann zu einem ganz neuen Miteinander im persönlichen Umfeld führen, gerade auch mit Menschen, mit denen man andernfalls vielleicht nie ins Gespräch käme, wie in Bus und Bahn oder im Wartezimmer einer Arztpraxis. Natürlich alles mit gebotenem Abstand und MNS.

Aufmerksamkeitsökonomie

Wichtig wird es aber auch sein, dass wir analog zu den Naturreservaten Aufmerksamkeitsreservate einrichten, Zonen – jeden Tag und nach Möglichkeit mehrmals täglich – in denen wir unsere Aufmerksamkeit ganz zur Ruhe kommen lassen; etwa bei einem Spaziergang in der Natur, einer Schriftbetrachtung oder einfach im Gebet. Die Kirche kennt hier zum Beispiel auch die alte Tradition des Stundengebetes.

Am Ende wird es aber nicht reichen, dass wir uns selbst um eine Aufmerksamkeitsökologie bemühen, genauso wenig wie wir den Umweltschutz allein der Initiative Einzelner überlassen können. Die Politik, der Staat hat dem Gemeinwohl zu dienen und zu diesem Gemeinwohl gehört es auch, Maßnahme zu ergreifen, unser aller Aufmerksamkeitsökologie zu schützen, insbesondere vor böswilligen Angriffen, beispielsweise durch die Pornoindustrie. Das gilt natürlich in speziellen Maße für die besonders schutzbedürftigen und schutzwürdigen Personenkreise wie Kinder und Jugendliche, am Ende aber gilt dies für uns alle.

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