Diesen Beitrag, der das Warten lobt, wollte ich eigentlich schon seit einigen Wochen schreiben und habe ihn immer wieder verschoben. Jetzt schreibe ich ihn aus der Quarantäne heraus. Es passt.
Es war 2014, dass ich mir mein erstes Smartphone zugelegt habe. Ursprünglich habe ich mir überhaupt nur wegen Whattsapp ein Smartphone gekauft. Ich muss aber gestehen, dass der Reiz groß ist, jederzeit und (fast) überall ins Internet gehen zu können – zu groß. Jedenfalls für mich.
Wann immer sich auch nur eine minimale Lücke zwischen zwei Aktivitäten, so banal sie auch sein mögen, auftut, greife ich zum Smartphone und verabschiede mich aus der analogen Realität in ein digitales Nirgendwo. Was dabei verloren geht habe ich erst vor kurzem bemerkt.
Das Warten verlernt
Ein, zwei Mal in letzter Zeit habe ich in Situationen, in denen ich einfach zu warten hatte, das Smartphone einfach nicht aus der Tasche genommen. Ich habe es nicht als Zeitüberbrücker verwendet, um „schnell mal“ diese oder jene Seite aufzurufen und irgendwas (nach) zu lesen. Ich blieb einfach mal analog – und dabei fiel mir auf, wie ungewohnt mir das geworden ist. Wie ich das Warten regelrecht verlernt habe.
Vor allem: Ich erinnerte mich daran, dass es nicht immer so war. Ich erinnert mich daran, wie viel ich früher gewartet habe; vor allem als Kind und Jugendlicher, aber auch noch als Erwachsener, zumindest bis zur Ankunft des Smartphones in meiner kleinen Welt. Zumindest also bis 2014.
Das Warten war selbstverständlich gewesen. Auf den Bus. Auf die Straßenbahn. In einer Schlange an der Kasse des Supermarktes. Warten, aber richtig, also die nervtötende, langweilige Sorte, die, in der nichts geschieht. In der die Zeit still zu stehen scheint. In der die Zeit sich zieht wie ein Kaugummi – und genau so klebrig ist.
In der sich aber auch der Raum unmittelbar vor einem, unmittelbar um einen herum zu öffnen beginnt, so dass man anfängt, mehr wahrzunehmen, intensiver zu leben, ganz wie als Kind. Überhaupt Kinder. Ich habe 3. Sie trödeln. Sie träumen. Sie leben in den Tag. Mit Kindern wartet man viel.

Man kann das abschalten, indem man die Zeit füllt mit den Inhalten eines Smartphone-Bildschirms. Ich mache das oft so. Leider. Aber in letzter Zeit habe ich es auch immer wieder anders gemacht. Gerade wenn wir im Auto sind und ich darauf warte, dass die Kinder fertig sind, so dass wir losgehen können. Dann setze ich mich in die Tür und warte.
Ich schaue auf die Straße oder ins Auto und sehe, was da ist. Es ist eine wunderschöne Übung, die mich zur Ruhe kommen und wahrnehmen lässt. Ich bin immer dankbar für diese Momente und dennoch flüchte ich mich immer noch viel zu oft in mein Smartphone. Es sind die Verheißungen einer spannenden, fernen und fremden Welt, die mich verführen und gefangen nehmen; Verheißungen, die aber auch etwas konditionierendes haben.
Wenn wir quasi auf Knopfdruck uns aus der Realität um uns herum ausloggen können, macht das etwas mit uns. Es reduziert unsere Toleranz für Dinge, die wir nicht ändern können. Es reduziert unsere Bereitschaft, uns mit dem auseinanderzusetzen, was unmittelbar vor uns liegt. Es fördert unsere Bereitschaft, schnelle – und das meint eigentlich bequeme – Lösungen zu suchen. Es fördert eine Mentalität des Optionalen, die statt Bindungen einzugehen und Verantwortung zu übernehmen alle Optionen offen und alles andere auf Distanz hält. Das Smartphone als Mauer, hinter der man sich vor dem Gegenüber verstecken kann.
Warten ist eine Kunst. Es lehrt uns, mit unerfüllten Bedürfnissen zu leben. Es lehrt uns, es auszuhalten, dass wir nicht alles sofort bekommen können – und manchmal vielleicht auch, Gott bewahre!, gar nicht. Warten steht damit im Widerspruch zur Überflussgesellschaft, die uns alles verspricht und alles sofort – auf Kosten anonymer anderer, die nicht die gleichen Möglichkeite haben wie wir.
Als Schule der Geduld ist das Warten ein wichtiger Baustein einer jeden ganzheitlichen Ökologie, in der nicht nur die Ansprüche der Reichen und Mächtigen zählen, sondern jeder und jede und auch die Schöpfung als Ganzes Berücksichtigung finden sollen. Daher schließe ich mit dem Appell, das Smartphone öfter einmal in der Tasche, aus oder gleich ganz zuhause zu lassen und durch ein kleines bisschen Warten mitzubauen an einer ganzheitlichen Ökologie, in der Raum ist für Bedürfnisaufschub, Wahrnehmen des Augenblicks und Begegnung.