Es herrscht Krieg in der Ukraine. In „Fratelli tutti“ hat Papst Franziskus erklärt: „Deshalb können wir den Krieg nicht mehr als Lösung betrachten, denn die Risiken werden wahrscheinlich immer den hypothetischen Nutzen, der ihm zugeschrieben wurde, überwiegen. Angesichts dieser Tatsache ist es heute sehr schwierig, sich auf die in vergangenen Jahrhunderten gereiften rationalen Kriterien zu stützen, um von einem eventuell „gerechten Krieg“ zu sprechen. Nie wieder Krieg!“
Zu beachten ist, dass unter den Oberbegriff „gerechter Krieg“ auch der Verteidigungskrieg fällt. Es stellt sich vor diesem Hintergrund und bei dieser Aussage also die Frage, was dies für den Ukrainekrieg bedeutet. Wenn man dem Grundsatz folgt, dass die Tötung eines Menschen niemals die Lösung für ein Problem sein darf, im Krieg aber immer Menschen getötet werden, folgt daraus eigentlich als einzig mögliche Konsequenz, dass die einzige mit diesem Grundsatz zu vereinbarende Antwort auf die russische Aggression im gewaltfreien Widerstand besteht.
Es ist wohlfeil, vom sicheren Bürostuhl in Deutschland aus den Ukrainern diesbezüglich Empfehlungen machen zu wollen. Als Deutsche sind wir gut genug beraten, uns auf die Beantwortung der Frage zu konzentrieren, was hieraus für uns folgt.
Waffenlieferungen an die Ukraine?
Waffenlieferungen an eine der Konfliktparteien – und sei es die angegriffene – verbieten sich vor diesem Hintergrund, da sie nur dazu beitragen, Gewalt – und die Tötung von Menschen – als eine anerkannte Konfliktlösung zu zementieren. Damit würde aber die Saat gelegt für künftige, weitere Kriege. Stattdessen ist es in der Tat erforderlich, dem Aggressor gewaltfrei Widerstand entgegenzusetzen. Das Minimum hierbei besteht darin, dem Aggressor nicht länger Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen er seine Aggression fortsetzen kann. Ihm diese Mittel zu entziehen erscheint sowohl der effektivste Weg, um die Kriegsmaschinerie auszutrocknen, als auch der in ethischer Hinsicht überzeugendste.
Es ist klar, dass hiermit vor allem gemeint ist, den Kauf von russischem Gas (sowie weiteren russischen Exportartikeln) ab sofort einzustellen. Ebenso ist klar, dass hiermit ein enormer wirtschaftlicher Schaden auch für uns selbst verbunden wäre. Andererseits: In der Ukraine sterben jeden Tag Menschen, Ukrainer und Russen. Es herrscht Krieg. Ein Land wird gerade von Grund auf zerstört. Echte Solidarität ist ohne echte Opfer nicht zu haben. Und diese Vorgehensweise kann einen wirklichen Unterschied machen. Sie ist das Äquivalent dazu, einem Angreifer in die Arme zu fallen, ohne ihn dabei an Leib oder Leben zu schädigen.
Menschlichkeit braucht echte Solidarität statt rein symbolischer Solidarität
Natürlich ist es Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass diese Opfer sozial abgefedert werden, so dass die stärkeren Schultern mehr zu tragen haben und die schwächeren weniger. Welche Maßnahmen hierfür am geeignetsten sind, ist eine schwierige, sicher aber keine unlösbare Aufgabe. Daran dass jeder Opfer bringen muss, Opfer, die auch weh tun, führt aber kein Weg vorbei. Das darf aber auch so sein. Noch einmal: Es herrscht Krieg. In Europa. Krieg zieht immer Opfer nach sich. Hiervor die Augen verschließen zu wollen, so zu tun, als ginge uns das nichts an, entspricht nicht der Verantwortung, die wir als Menschen füreinander haben.
Natürlich ist es so, dass diese Opfer größer ausfallen als es nötig gewesen wäre, aufgrund der Fehler, die in der Vergangenheit sowohl in der Energie- als auch in der Rußlandpolitik begangen wurden. Hoffentlich lernen wir für die Zukunft daraus, diese oder ähnliche Fehler nicht zu wiederholen, also weder eine einseitige Abhängigkeit von einzelnen Energiequellen noch die Abhängigkeit von fragwürdigen Regimen. Für das erste ist es aber wie es ist. Noch einmal: Es herrscht Krieg. Dass es ist, wie es ist, heißt aber nicht, dass es auch so bleiben darf. Darum schließt dieser Blogeintrag wie er begonnen hat, mit Worten von Papst Franziskus aus seiner Enzyklika „Fratelli tutti“:
Nie wieder Krieg!
