Was ist die Theologie des Leibes?

Der Begriff „Theologie des Leibes“ geht auf eine Serie von Lehrvorträgen zurück, die Papst Johannes Paul II. zwischen September 1979 und November 1984 gehalten hat.

In diesen Lehrvorträgen untersuchte Johannes Paul II. die Bedeutung des menschlichen Leibes. Er verwendet dafür die Bibel und denkt über einige ihrer Aussagen nach. Seine zentralen Aussagen sind:

Der Mensch hat zwar einen Leib wie alle anderen Lebewesen auch. Dieser Leib unterscheidet ihn aber gleichzeitig von allen anderen Lebewesen, da er durch ihn die Welt in großem Maßstab umgestalten kann. Der Mensch erkennt also daran, wie er seinen eigenen Körper erlebt, dass er anders ist als alle anderen Lebewesen. Sein Leib ermöglicht dem Menschen Selbsterkenntnis.

Theologie des Leibes: Der menschliche Leib als Medium der Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung

Johannes Paul II. nennt das das „ursprüngliche Alleinsein“ des Menschen. Gegenüber Gott zeigt sich dieses „ursprüngliche Alleinsein“ darin, dass der Mensch frei ist. Das heißt, er trägt die Verantwortung für seine Entscheidungen – und damit auch die Konsequenzen. Johannes Paul II. spricht hier auch von seiner Fähigkeit zur Selbstbestimmung.

Neben dem „ursprünglichen Alleinsein“ entdeckt Johannes Paul II. in der Erzählung von Adam und Eva auch eine „urspüngliche Einheit“. Durch ihre Fähigkeit zur Selbstbestimmung besitzt Adam sich selbst und Eva besitzt sich. Dieser Selbstbesitz ermöglicht es beiden, sich dem anderen ganz zu schenken. Das ist die Ehe.

Sichtbar und – für beide – erfahrbar wird das durch ihren Leib. Durch ihren Leib zeigen sie einander, dass sie sich einander ganz schenken. Am meisten sichtbar und erfahrbar wird das in der ehelichen (= sexuellen) Vereinigung.

Theologie des Leibes

Aber mit dem Sündenfall hat sich die ganze Situation verändert. Adam sieht Eva nicht mehr als ein Geschenk an, das sie ihm macht, sondern als ein Objekt, das er sich einfach nehmen kann. Und Eva sieht Adam ebenso an. Gleichzeitig merken beide, dass der andere sie so anschaut und entwickeln darüber Scham. Durch die Scham wollen sie sich vor dem Blick und damit dem einseitigen Zugriff des anderen schützen. Sie wollen Geschenk bleiben und sich nicht zum Objekt machen lassen.

Die Gemeinschaft von Mann und Frau ist dadurch beschädigt. Beide misstrauen den Absichten des anderen – und das zurecht! Aber auch in jedem Menschen selbst ist etwas kaputt gegangen. Der ursprüngliche Selbstbesitz ist verloren gegangen. Seine Triebe und Instinkte (der Leib) besitzen und beherrschen jetzt den Menschen. Sie sagen ihm nun, was er tun soll und nicht mehr seine Einsicht in die Wahrheit. Weil die Menschen sich nicht mehr wirklich besitzen, können sie sich auch nicht mehr wirklich an einen anderen verschenken.

Den einzigen Ausweg aus dieser Situation sieht Johannes Paul II. in der Selbstbeherrschung. Wir Menschen müssen lernen, unsere Triebe zu beherrschen – und nicht uns von ihnen beherrschen zu lassen. Dazu dürfen wir nicht einfach blind unseren Trieben und Instinkten oder auch unseren Wünschen folgen. Oft werden wir darauf verzichten müssen, das zu tun, wozu uns unsere Triebe antreiben, oder was wir uns wünschen. Immer werden wir uns fragen müssen, was wir ethisch vertreten können.

So erlangen wir unseren Selbstbesitz wieder und können uns dann auch wirklich schenken. So können wir dann auch wieder Vertrauen in die Absichten des anderen fassen.