Der katholische Beitrag zu einer commons-freundlichen Ontologie

Neben allen Übereinstimmungen zwischen den Theorien Helfrichs und Bolliers[1]https://library.oapen.org/viewer/web/viewer.html?file=/bitstream/handle/20.500.12657/42833/9783839455746.pdf?sequence=1&isAllowed=y, 19.02.2023 mit dem christlichen und insbesondere katholischen Denken, ist doch zu konstatieren, dass die von beiden vorgelegte Ontologie nicht zu überzeugen vermag, gerade auch hinsichtlich des selbst gesteckten Anspruches, eine commons-freundliche Ontologie zu formulieren.

Zunächst ist beiden zuzustimmen, wenn sie feststellen:

„Für diejenigen unter uns, die aus dem euro-amerikanischen Kulturkreis stammen, ist es nicht so einfach, die Schicht freizulegen, die den Commons zugrunde liegt. Schon unsere Sprache hat alle möglichen Einseitigkeiten fixiert, die uns in andere Richtungen schicken.“[2]Ebd., S. 43

Denn:

„Männer (!) wie Francis Bacon, Thomas Hobbes, René Descartes und John Locke artikulierten als erste eine Erzählung von der Welt, in der (vermeintliche) Dualitäten aufeinanderprallen: Individuum und Kollektiv, Menschheit und Natur, Geist und Materie. Öffentlicher und privater Raum gelten als voneinander getrennt. Das Objektive wird dem Subjektiven entgegengesetzt. Es ist eine Erzählung des Entweder-oder, die zur Denkgewohnheit wird. Moderne kapitalistische Gesellschaften haben aus diesen Gewohnheiten Kulturen geschaffen. Sie spiegeln wider, was in der Wissenschaft als Onto-Geschichten (»ontostories«) bezeichnet wird.“[3]Ebd., S. 40

Und später:

Für Menschen, die es gewohnt sind, in Dualitäten zu denken, ist das Umdenken herausfordernd.“[4]Ebd., S. 51.

Dass dies so ist, stellen Helfrich und Bollier dann aber selbst unter Beweis, wenn sie, wie wir sehen werden damit fortfahren, sich dem Thema Ontologie ausgehend von Dualitäten zu nähern:

„Wenn daher von Weltsicht die Rede ist, muss gefragt werden: Was behauptet diese Weltsicht hinsichtlich der Qualität der Beziehungen zwischen Individuen oder zwischen dem Einzelnen und Kollektiven? Schreibt sie Dingen und Phänomenen einen festgefügten Wesenskern zu? Wird dem Menschen ein So-Sein unterstellt, oder enthält die Idee vom Menschen auch andere Menschen sowie den Gedanken der Veränderung durch Beziehungen? Überhaupt: Wie wird Veränderung und Wandel gedacht? Entsteht er durch konkrete Faktoren, die kausal aufeinander wirken – ähnlich einer Kettenreaktion, die ich auslöse, wenn ich eine Maschine in Betrieb setze? Oder entsteht er in einem Feld komplexer, subtiler, kurz- und langfristiger Interaktionen zwischen mehreren Faktoren in einem größeren Wirkzusammenhang? Sind Phänomene, die wir beobachten, historisch und kulturell unveränderlich, d.h. universell, oder sind sie kontextabhängig?“[5]Ebd., S. 37.

Und weiter:

„Es gibt zahllose Onto-Geschichten, die auf vielerlei Weise ihren Ausdruck finden. Unterm Strich können sie entlang einiger zentraler Aspekte etwas geordnet werden. So basieren manche Geschichten auf der Vorstellung, dass »das Sein einfach ist« (statisch). Andere gehen davon aus, dass das Sein ein ständiges Werden ist (dynamisch). Eine dynamische Weltvorstellung erfasst das Sein als eine Aneinanderreihung von Ereignissen, als einen ständigen Prozess. In einer statischen Welt wird die Gegenwart als etwas erlebt, das stets ist und stets sein wird…Manche Onto-Geschichten gründen auf der Idee einer einzigen, ungeteilten Existenz, was tendenziell zum Sozialismus oder Kollektivismus führt. Andere postulieren viele Quellen des Seins, die nicht auf ein unteilbares Ganzes zurückgehen. Sie stützen eher eine politische Ordnung des modernen Liberalismus und des sozialen Anarchismus. In manchen Onto-Geschichten stammen Wahrheit und Sinn von einer transzendenten Quelle (Gott, König, Papst), in anderen wiederum stammen sie aus uns immanenten Quellen – dem Raum gelebter Erfahrung (das Göttliche in jedem Menschen bzw. in allen Lebewesen).“[6]Ebd., S. 40f.

Die differenziert-relationale Ontologie nach Helfrich und Bollier

Auf eben solchen Dualitäten bauen sie dann auch ihren eigenen Versuch einer relationalen Ontologie auf, wenn sie damit beginnen, zwischen undifferenzierter und differenzierter relationaler Ontologie zu unterscheiden.[7]Ebd., S. 47.: „Ein Typus wird undifferenzierte relationale Ontologie genannt. Hier liegt die Quelle des Seins in seiner transzendenten Kraft, die in allen Lebewesen da ist. Man kann sich das wie … Continue reading

Um es vorweg zu nehmen: Der Fehler von Helfrich und Bollier liegt genau in dieser Befolgung eines „entweder-oder“-Denkens, wie es die Moderne von einer Gruppe frühneuzeitlicher Denker übernommen hat.

Christlichem Denken entspricht demgegenüber ein entschiedenes „sowohl…als auch“: Dies lässt sich im Vorbeigehen anhand einiger prägnanter theologischer Beispiele demonstrieren:

– ein Gott, aber in drei Personen
– Jesus Christus: wahrer Gott, aber auch wahrer Mensch
– Maria: immerwährende Jungfrau, aber auch Mutter
– Maria: Geschöpf, aber auch Mutter ihres Schöpfers
– Heil durch göttliche Gnade, aber auch menschliche Freiheit

Dies mag wie eine Ansammlung absurder, unlogischer Aussagen wirken, jedoch nur, wenn man das dualistische Denken der Moderne zu Grunde legt. Die von Helfrich und Bollier präferierte differenzierte relationale Ontologie dagegen ist inkonsistent. Um dies zu verdeutlichen, muss ihr an dieser Stelle noch etwas mehr Platz eingeräumt werden:

„Daher ist der Ontologietyp, der die Realitäten von Commoning am besten beschreibt, differenziert relational. Dies bedeutet: die Quelle des Seins entsteht aus allen lebendigen Einheiten heraus.“[8]Ebd.

Sowie:

„Da sich jedes Lebewesen ständig weiterentwickelt und von unzähligen Faktoren beeinflusst wird (das Individuelle ist multidimensional), kann es keine einheitliche Darstellung der Welt geben. Die Welt ist plural, nicht singulär. Oder um es mit Arturo Escobar zu sagen: Wir leben nicht in einer »Eine-Welt-Welt«, sondern im Pluriversum.“[9]Ebd.

Dieses wird später so näher beschrieben:

„Pluriversum: ein Weltverständnis, nach dem zahllose Gruppen ihre eigenen unverwechselbaren kulturellen Eigenheiten immer wieder neu schaffen, woraus je eigene Welten entstehen. Dieser Begriff ist notwendig, weil viele Krisen der Gegenwart aus dem Glauben rühren, dass eine „Eine-Welt-Welt, eine Art einzige euro-moderne Realität, existiert. Zu sagen, die Welt sei ein Pluriversum, beinhaltet, dass es nicht nur eine einzige Quelle des Daseins gibt und dass kein Wissenssystem anderen inhärent überlegen ist. Ein Pluriversum ist »eine Welt, in die viele Welten passen«, wie die Zapatisten im Süden Mexikos sagen. Dies weist auf eine Problematik hin: Wie können die verschiedenen Gesellschaften akzeptieren und damit umgehen, dass »viele Welten« auf einem einzigen Planeten gleichzeitig vorhanden sein müssen?“[10]Ebd., S. 82f.

Sowie:

„Wir erschaffen also die Welt – viele Welten – durch und mittels Sprache.“[11]Ebd., S. 59.

Eine commonsfreundliche Kritik der differenziert-relationalen Ontologie

Die große Herausforderung besteht hier in der Frage, was Helfrich und Bollier eigentlich meinen, wenn sie von „Welt“ sprechen. Aus den zitierten Stellen entsteht der Eindruck, dass sie den Begriff „Welt“ in zwei Bedeutungen verwenden: einmal jene Realität(en), die wir – in zahllosen Gruppen – durch und mittels Sprache selbst erschaffen und von denen es so viele gibt, wie es Gruppen gibt, und zum anderen jene Realität im Singular, die wir alle gemeinsam bewohnen und mit unseren in Gruppen durch Sprache erschaffenen Welten lediglich darzustellen versuchen. Zweifellos haben Helfrich und Bollier Recht, wenn sie sagen, dass es für die Welt(en) im ersten Sinne nicht nur eine einzige Quelle des Daseins gibt. Hier gibt es zweifellos so viele Quellen des Daseins, wie es Gruppen gibt. Doch gilt dies auch nur für einen ersten, oberflächlichen Blick. Denn all diese Gruppen, all diese „Quellen des Daseins“, entspringen ja doch wiederum einer weiteren, ihnen allen gemeinsamen Quelle, nämlich der Welt im ersten Sinne. Und es ist diese Welt, auf die sich all die übrigen Welten – oder man kann auch sagen Ontologien – beziehen, der sie sich annähern und die sie beschreiben, in Helfrichs und Bolliers eigenen Worten, die sie darstellen wollen.

Wäre es nicht so, was wäre die Konsequenz? Die vielen Welten wären dann, was im Übrigen schon der Begriff „Welt“ nahelegt, in sich abgeschlossene Systeme, ohne Verbindung untereinander, ohne die Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren. Vielmehr als eine commonsfreundliche Ontologie liefe dies auf die Ontologisierung des von Helfrich und Bollier so abgelehnten Individualismus auf der Ebene der Gruppen hinaus. Diese Gruppen entsprächen dann keinem „Ich-in-Bezogenheit“, sondern glichen eher den Leibnitzschen Monaden. Kurz: Es sind Inseln ohne ein Meer, das sie einerseits trennt und damit als Inseln konstituiert, andererseits aber auch verbindet und so Kommunikation zwischen ihnen ermöglicht.

Ontologie

Diese Problematik tritt auch ganz deutlich hervor, wenn Helfrich und Bollier, wie gesehen sagen, dass „die Quelle des Seins“ aus allen lebendigen Einheiten heraus entstünden. Hier muss ganz klar gesagt werden: Was auch immer aus allen lebendigen Einheiten entsteht, ist definitiv nicht die „Quelle des Seins“, vielmehr sind die lebendigen Einheiten selbst die Quelle(n) des Seins für das, was aus ihnen entsteht. Das aber wiederum bedeutet, dass eben diese lebendigen Einheiten, diese Individuen, das ursprünglichere, das ontologisch Vorrangige sind. Dann aber ist die Verbindung zwischen diesen Einheiten sekundär und damit kontingent, also nicht notwendig. Verbundenheit ist dann eine Option unter mindestens zweien und nicht einmal die naheliegendste. Eine commonsfreundliche Ontologie ist das nicht. Ja, nach der eigenen Definition von Helfrich und Bollier ist es nicht einmal eine relationale Ontologie.[12]Ebd., S. 83f: „Relationale Ontologie: Sie beschreibt ein Seinsverständnis, das davon ausgeht, dass die Beziehungen zwischen Einheiten grundlegender sind als die Einheiten selbst und dass sich … Continue reading Eine commonsfreundliche Ontologie darf nicht die individuellen Einheiten – seien es nun tatsächliche Individuen oder individuelle Gruppen – als prioritär gegenüber den Relationen behandeln. Sie muss vielmehr die ontologische Priorität des allen Gemeinsamen, des allen Verbindenden und das heißt auch des alle Transzendierenden anerkennen.

Folgt daraus zwangsläufig ein Votum für eine undifferenzierte relationale Ontologie? Nein, denn die Kritik Helfrichs und Bolliers an dieser ist zutreffend. Ob Pantheismus, Panentheismus, philosophischer Materialismus oder die meisten Monotheismen – die Konsequenzen entsprechen immer in etwa dem von Helfrich und Bollier beschriebenen; mit einer Ausnahme.

Eine differenziert-undifferenzierte relationale Ontologie

Wie Robert Barron in „The Priority of Christ“[13]Robert Barron, „The Priority of Christ. Toward a postliberal Catholicism, Baker Academic Grand Rapids USA 2021. dargelegt hat, fand in der mittelalterlichen christlichen Theologie eine folgenschwere Wendung statt, welche das christliche Gottesbild deutlich verzerrt hat. Barron zeigt, wie Helfrich und Bolliers Kritik an einer undifferentierten relationalen Ontologie nur dieses verzerrte christliche Gottesbild trifft, nicht aber das ursprüngliche und eigentliche, wie es bei Thomas von Aquin beispielhaft philosophisch ausformuliert wurde.

Thomas von Aquin vertrat die „analogia entis“, einen analogen Seinsbegriff. Dem stellte Johannes Duns Scotus seinen univoken Seinsbegriff entgegen. Wo liegt das Problem?

Der von Helfrich und Bollier präsentierten undifferenzierten relationalen Ontologie liegt ein konkurrierender Seinsbegriff zugrunde. Dieser konkurrierende Seinsbegriff wiederum hängt, wie eben Robert Barron in „The Priority of Christ“ dargelegt hat, mit dem univoken Seinsbegriff zusammen, wie ihn Johannes Duns Scotus vertreten hat.[14]Ebd., S. 13f.

„Sein“ wird demnach von allem, was ist, in ein- und demselben Sinn ausgesagt. Es gibt also sozusagen eine Gattung namens „Sein“, in die alles gehört, was ist. Gott ist in dieser Gattung das größte und mächtigste Individuum, unterscheidet sich aber nicht prinzipiell von allen anderen Individuen in dieser Gattung. Die Konsequenzen hieraus sind, um Barron zu zitieren, „enourmous and, to my mind, almost entirely negative“.[15]Ebd., S. 13. Wie begründet Barron dies?

„If the analogical conception of being [also jene des Thomas von Aquin] is rejected, creatures are no longer seen as participating in the divine being; instead, God and creatures are appreciated as existing side by side, as beings of varying types and degrees of intensity. Furthermore, unanchored from their shared participation in God, no longer grounded in a common source, creatures lose their essential connectedness to one another. Isolated and self-contained individuals (God the supreme being and the many creatures) are now what is most basically real.[16]Ebd, S. 13f.

Innerhalb dieser gemeinsamen Gattung namens „Sein“ konkurrieren die verschiedenen Existenzen miteinander. In den Worten von Helfrich und Bollier: „Die größte Puppe verleibt sich letztlich die kleineren ein.“ Mit jeglicher nennenswerten Freiheit der übrigen „Puppen“ ist dies selbstverständlich unvereinbar, woraus dann der logische Schluss gezogen werden kann: Wenn es in diesem Sinne einen Gott gibt, dann kann es für alle anderen keine Freiheit geben. Und der Umkehrschluss: Jede echte Freiheit des Menschen verlangt die Ablehnung Gottes als transzendenter Quelle des Seins.

Nun ist diese Sicht von Duns Scotus sehr wirkmächtig gewesen. Alternativlos ist sie nicht und insbesondere das christliche Verständnis von Gott, Mensch und dem Verhältnis beider zueinander gibt sie nur sehr unzulänglich wieder. Sehr viel treffender ist der analoge Seinsbegriff des Thomas von Aquin: eben die analogia entis. Thomas von Aquin ging davon aus, dass wir den Begriff „Sein“ in unterschiedlichen Situationen auf zwar ähnliche, aber nicht identische Weise verwenden, eben analog. Wenn wir beispielsweise sagen, dass Romeo der Geliebte von Julia ist, dann hat das Wort „ist“ hier zwar eine ähnliche, aber nicht dieselbe Bedeutung, wie wenn wir sagen, dass König Charles der Ehemann von Prinzessin Camilla ist, ganz einfach, weil Romeo und Julia fiktive Personen sind, während Charles und Camilla reale Personen sind. Und genau so bedeutet es nach Thomas von Aquin noch einmal etwas ganz anderes, wenn wir sagen, dass Gott ist. Gottes Sein ist qualititativ von ganz anderer Art als unser Sein und steht gerade deshalb nicht in Konkurrenz, nicht im Widerspruch zu unserem Sein. Man könnte sagen: Zum Beispiel zu fragen, ob Gottes Allmacht in Konkurrenz zur menschlichen Freiheit steht, ist in etwa so sinnvoll, wie zu fragen, ob König Charles und Romeo zur gleichen Zeit am selben Ort sein können. Mit anderen Worten: Einen analogen Seinsbegriff und das mit diesem verbundene christliche Verständnis eines tatsächlich radikal transzendenten Gottes zu Grunde gelegt, stellen sich nicht die Probleme aus Helfrichs und Bolliers undifferenzierter relationaler Ontologie.

Man könnte pointiert auch sagen: Duns Scotus und Wilhelm von Ockham führten im 14. Jahrhundert ein neues, konkurrierendes Verhältnis von Gott und Mensch in die Theologie ein, das zuvor unbekannt war. Mit einem Abstand von 400 Jahren zog dann das Konkurrenzprinzip mit Adam Smith auch in die Wirtschaftstheorie ein und veränderte von dort aus alle Aspekte unseres sozialen Lebens – und dies so grundlegend, dass selbst Vertreter alternativer, auf Solidarität und Kooperation basierender, Wirtschaftsweisen wie Helfrich und Bollier eine im Kern individualistische Ontologie vertreten. Die Antwort hierauf besteht freilich in einer Wiederentdeckung der älteren, nicht-konkurrierenden Ontologie wie sie dem christlichen Verständnis des Verhältnisses von Gott und Mensch entspricht, auch eine Wiederentdeckung der analogia entis des Thomas von Aquin.[17]Vgl. auch Taylor, Michael Dominic, The Foundations of Nature. Metaphysics of Gift for an Integral Ecological Ethic, Eugene Oregon USA 2020, S. 135 – 138. Nur von hierher kann von Grund auf ein Weltverständnis aufgebaut werden, welches das Konkurrenzprinzip maximal als ein Prinzip neben und unter anderen begreift und nicht als das allein maßgebliche.

Das besondere am christlichen Gottesbild ist aber nun nicht allein die analogia entis, die als ein rein philosophisches, nicht-theologisches, Konzept auch mit jedem anderen Monotheismus kombinierbar wäre. Das Besondere am christlichen Gottesbild ist das trinitarische Bekenntnis, das Bekenntnis zu einem Gott in drei Personen, das Bekenntnis, dass Substanz und Relation, Einheit und Vielheit gleich ursprünglich sind.

Dies führt uns zu einer differenziert-undifferenzierten relationalen Ontologie: undifferenziert, da es nur eine Quelle des Seins für alles gibt, in der und durch die alles miteinander verbunden ist: der eine Gott. Differenziert, da diese Quelle kein Monolith ist, sondern in sich selbst differenziert ist in die drei göttlichen Personen, in eine lebendige, dynamische, prozesshafte Gemeinschaft, auf Latein: eine communio, so dass auch die Ausdifferenzierung in der Welt real und nicht nur eine Illusion ist, weil sie Widerschein dieser ursprünglichen inneren Differenzierung in Gott ist.

Kurz: Das trinitarische Bekenntnis erweist Commons nicht nur als möglich, sondern auch als natürlich und das eigentlich Selbstverständliche.

References

References
1 https://library.oapen.org/viewer/web/viewer.html?file=/bitstream/handle/20.500.12657/42833/9783839455746.pdf?sequence=1&isAllowed=y, 19.02.2023
2 Ebd., S. 43
3 Ebd., S. 40
4 Ebd., S. 51.
5 Ebd., S. 37.
6 Ebd., S. 40f.
7 Ebd., S. 47.: „Ein Typus wird undifferenzierte relationale Ontologie genannt. Hier liegt die Quelle des Seins in seiner transzendenten Kraft, die in allen Lebewesen da ist. Man kann sich das wie eine Matrjoschka vorstellen. Die größte Puppe verleibt sich letztlich die kleineren ein. Deswegen gilt sie als »undifferenziert«. Niemandem kommt notwendigerweise eine ausgeprägte individuelle Handlungsfähigkeit oder ein ganz anderer Charakter zu; alle sind und gelten als mehr oder weniger gleich. Eine solche Ontologie führt tendenziell in einen erzwungenen Kollektivismus oder eine zentralistische Monokultur, in der alles Einzelne als undifferenzierter Teil des Ganzen gilt. Demgegenüber können nur solche Seinsverständnisse die Wirklichkeiten des Commoning angemessen erfassen – und Grundlage einer Commons-basierten Gesellschaft sein – die Vielfalt aufnehmen und ausdrücken. Jedes Individuum muss Raum haben, sein einzigartiges Selbst zu entfalten. Menschen werden unterschiedlich geboren, ihre Talente, Erziehung und Sehnsüchte sind ganz verschieden. Das sind auch die Gegebenheiten, mit denen sie sich an unterschiedlichen Orten auseinandersetzen müssen. Es gibt keinen Grund, diese Unterschiede einzuebnen, auf einen universellen Standard zu reduzieren und in einem großen Ganzen versinken zu lassen. Daher ist der Ontologietyp, der die Realitäten von Commoning am besten beschreibt, differenziert relational. Dies bedeutet: die Quelle des Seins entsteht aus allen lebendigen Einheiten heraus.“
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Ebd., S. 82f.
11 Ebd., S. 59.
12 Ebd., S. 83f: „Relationale Ontologie: Sie beschreibt ein Seinsverständnis, das davon ausgeht, dass die Beziehungen zwischen Einheiten grundlegender sind als die Einheiten selbst und dass sich lebendige Systeme durch ihre Interaktionen und Intra-Aktionen entwickeln. Commons basieren – als soziales System, in dem Menschen zusammenkommen, um zusammenzuarbeiten und sich zu versorgen – auf einer relationalen Ontologie. Dies steht im Kontrast zu einer Weltsicht, die die Grundlage des Marktkapitalismus bildet. Danach basiert die Welt auf »Selfmade«-Individuen, weitgehend getrennt von ihren primären Beziehungen hinsichtlich Geschichte, Religion, Ethnizität, Geografie, Geschlecht etc. Ein relationales Seinsverständnis erfordert relationale Kategorien, etwa Ich-in-Bezogenheit oder Ubuntu-Rationalität.“
13 Robert Barron, „The Priority of Christ. Toward a postliberal Catholicism, Baker Academic Grand Rapids USA 2021.
14 Ebd., S. 13f.
15 Ebd., S. 13.
16 Ebd, S. 13f.
17 Vgl. auch Taylor, Michael Dominic, The Foundations of Nature. Metaphysics of Gift for an Integral Ecological Ethic, Eugene Oregon USA 2020, S. 135 – 138.