Was ist das technokratische Paradigma und was ist das Problem mit ihm?

Das technokratische Paradigma ist eine bestimmte Art und Weise, auf die Wirklichkeit zu sehen. Was ist das besondere an dieser bestimmten Sichtweise? Es ist ihre Absicht, mit Hilfe der Technik die Welt zu beherrschen (das griechische Wort kratein bedeutet herrschen) – und das als den einzig möglichen oder relevanten Zugang zur Welt anzusehen.

Papst Franziskus geht hierauf im 3. Kapitel seines Lehrschreibens „Laudato si“ ein. In diesem Kapitel fragt der Papst nach der menschlichen Wurzel der ökologischen Krise. An dieser Wurzel findet der Heilige Vater 2 Dinge: den Anthropozentrismus (in Laudato si [LS] 115ff), also eine Überbetonung des Menschen, und eben das technokratische Paradigma (LS 106 – 114).

Im Kern ist das technokratische Paradigma das moderne Wissenschaftsverständnis, wie es zum ersten Mal von Francis Bacon und René Descartes in der Frühneuzeit formuliert wurde. Es unterscheidet sich damit vom klassischen Wissenschaftsverständnis von Antike und Mittelalter, dem es nicht (primär oder allein) um Weltbeherrschung durch Technologie ging, sondern um Eudaimonie, also umfassendes Wohlergehen, durch Weisheit.

technokratische Paradigna

Im Letzten betrachtet das technokratische Paradigma die Realität als etwas Formloses, das man – mit technischen Mitteln – nach Belieben gestalten und manipulieren kann (vgl. LS 106). Es geht um Besitzen, Beherrschen und Umgestalten (vgl. LS 106). Begründet wird dies mit dem tatsächlichen enormen technologischen Fortschritt und dessen tatsächlichen oder vermeintlichen Nutzen.

Das technokratische Paradigma: problematisch

Das Problem mit dem technokratischen Paradigma: Wenn nur Technik zählt, dann ist da kein Platz für Ethik, oder Politik. Wenn aber Ethik und Politik der Technik – und den Menschen, die sie gebrauchen – keine Grenzen setzen, gilt: Erlaubt ist, was möglich ist. Aber wenn das stimmt, ist es der Freibrief für alle Mächtigen, ihre Macht auf Kosten aller anderen auszunutzen. Die Folgen: Recht des Stärkeren, Herrschaft der Gewalt.

Ein Paradigma, das nur Herrschaft und Manipulation kennt, führt notwendig zu Unterdrückung und Ausbeutung – zuerst der Umwelt und dann auch der Mitmenschen. Die Ausbeutung des Amazongebietes, die Ausbeutung der Menschen im globalen Süden durch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen oder Menschenhandel, die Ausbeutung von Frauen und Kindern in Pornographie und Prostitution oder durch Leihmutterschaft folgen alle dieser Logik.

Papst Franziskus wendet sich gegen die Vorstellung, dass Technik und Wissenschaft neutral seien. Sie „können vom Anfang bis zum Ende eines Prozesses verschiedene Absichten und Möglichkeiten enthalten und sich auf verschiedene Weise gestalten“ (LS 114).

Er fordert nicht, „in die Zeit der Höhlenmenschen zurückzukehren“ (LS 114). Stattdessen kommt es darauf an, „den Blick wieder zu weiten. Die menschliche Freiheit ist in der Lage, die Technik zu beschränken, sie zu lenken und in den Dienst einer anderen Art des Fortschritts zu stellen, der gesünder, menschlicher, sozialer und ganzheitlicher ist.“ (LS 112)