Was bedeutet es, dass „in der Welt alles miteinander verbunden ist“?

In seinem Schreiben „Laudato si“ macht Papst Franziskus die bemerkenswerte Feststellung, dass „in der Welt alles miteinander verbunden ist“ und nennt dies eines der „Zentralthemen, welche die gesamte Enzyklika durchziehen“. (LS 16)

Und tatsächlich: Tagtäglich decken die Wissenschaften neue Zusammenhänge auf und lassen uns so tiefer erkennen, dass wirklich in der Welt alles miteinander verbunden ist.

Und auch die Philosophie bestätigt es: Ursache und Wirkung stehen nicht in einem rein äußerlichen, zufälligen Verhältnis („loose and separate“) zueinander, sondern sind als Wirk- und Finalursache innerlich miteinander verbunden.

Zahllose Individuen sind durch ihre gemeinsame Form real miteinander verbunden – und nicht nur virtuell im menschlichen Geist oder sogar nur vollkommen willkürlich unter einem Begriff zusammengefasst. Sprache schließlich verbindet diejenigen, die sie nutzen mit der Welt und untereinander.

Zweifellos ist auch das Internet, das world wide web, ein Zeichen der Zeit, das uns unsere weltweite Verbundenheit auf ganz neue Weise erfahrbar macht und uns damit zugleich dazu aufruft, diese Verbundenheit auch „da draußen“ in der analogen Wirklichkeit unseres konkreten Alltags neu zu entdecken und zu leben.

Wie kommt es, dass in der Welt alles miteinander verbunden ist?

Doch wie kommt es, dass „in der Welt alles miteinander verbunden ist“? Die einzige vernünftige Erklärung lautet, dass Verbundenheit bereits an der Wurzel der Realität selbst zu finden ist. Verbundenheit beinhaltet aber Verschiedenheit. Nur was voneinander verschieden ist, kann auch miteinander verbunden sein.

Wenn an der Wurzel der Realität Verbundenheit ist, dann auch Verschiedenheit, Diversität, aber nicht als ein chaotisches Nebeneinander oder ein antagonistisches Gegeneinander, sondern als harmonisches Miteinander, eine harmonische Differenz.

Das ist eine Absage an jeden Monismus, aber auch an jede Theorie, die an der Wurzel der Realität ein gähnendes Nichts, reine Leere oder den puren Zufall sieht.

Wenn aber an der Wurzel der Realität jenes harmonische Miteinander, jene durch Verbundenheit geprägte Differenz steht, dann steckt darin auch an uns ein Aufruf, diese harmonische Differenz ebenfalls in unseren sozialen Beziehungen zu verwirklichen. Dann hat das Ganze ethische, politische und ökonomische Implikationen.

verbunden

Bindungsfähigkeit ist dann eine, wenn nicht die zentrale, Schlüsselkompetenz für ein gelingendes individuelles und gemeinschaftliches Leben. Wenn man die große Bedeutung der frühen Kindheit für die Entwicklung von Bindungsfähigkeit berücksichtigt, verlangt das einen Paradigmenwechsel weg von der frühkindlichen Bildung hin zur frühkindlichen Bindung oder, vielleicht treffender: Es verlangt frühkindliche Bildung wesentlich als frühkindliche Bindung zu begreifen und entsprechende Strukturen zu deren Förderung zu schaffen.

Verbundenheit kann nicht „von oben übergestülpt“ oder aufoktroyiert werden. Verbundenheit muss von unten wachsen. Dazu braucht es „unten“ aber auch den entsprechenden Raum dafür. Die Aufgabe der „großen Politik“ auf nationaler und supranationaler Ebene kann es daher nur sein, hierfür einen – breiten! – Rahmen zu bieten. Die eigentliche Politik muss dann in sehr viel stärkerem Maße als bislang im Kleinen vor Ort stattfinden. Entsprechend gilt das dann auch für die ökonomischen Strukturen und das wirtschaftliche Leben.

Politik darf nicht primär als das Durchsetzen in (Interessen)Konflikten und Parteienwettbewerb verstanden werden, sondern als gemeinschaftliches Ringen um das Gemeinwohl und den Frieden. Genauso muss in der Wirtschaft der Wettbewerbsgedanke und das Konkurrenzdenken zumindest ein Stück weit zu Gunsten praktischer Solidarität zurücktreten.