Was sind Finalursachen und wozu brauchen wir sie?

Finalursachen werden auch als Ziel- oder Zweckursachen bezeichnet. Diese Bezeichnungen haben viel Verwirrung gestiftet und den Begriff Finalursachen zu Unrecht diskreditiert.

Da Ziele bzw. Zwecke mit Bewusstsein assoziiert werden – jemand hat Ziele bzw. Zwecke – scheint die Rede von Ziel- bzw. Zweckursachen nahezulegen, dass, was über eine Finalursache verfügt, auch über Bewusstsein verfügen muss.

Schon bei bestimmten Lebewesen wie zum Beispiel Pflanzen ist es nicht gerade mehrheitsfähig, davon zu sprechen, sie besäßen Bewusstsein. Ganz esoterisch klingt es aber, wenn man bei anorganischen Stoffen wie Mineralien von Bewusstsein sprechen wollte.

Die Konsequenz hieraus ist dann, entweder die Rede von Finalursachen auf höher entwickelte Lebewesen – oder gleich nur den Menschen – zu beschränken oder ganz als esoterischen Humbug zu verwerfen.

Ein anderes Extrem besteht darin, ein göttliches Bewusstsein anzunehmen, das für die Zielausrichtung der anorganischen Realität verantwortlich ist. Für letztere Position werden die Bezeichnungen teleologischer Intentionalismus und platonische Teleologie verwendet.[1]Feser, Edward, Scholastic Metaphysics. A Contemporary Introduction, editiones scholasticae vol. 39, Heusenstamm Deutschland 2014, S. 89.

Finalursachen

Wie Edward Feser deutlich macht, gehen Aristoteles und Thomas von Aquin jedoch mitnichten davon aus, dass Finalursachen zwingend mit Bewusstsein einhergehen müssen.[2]Ebd. 89-91.

Das im Fall von Lebewesen aktive und – zumindest – im Fall des Menschen bewusste Verfolgen von Zielen sind lediglich Spezialfälle von Finalursachen. Selbst anorganische Stoffe haben demnach Ziele, auch wenn sie diese nicht aktiv, geschweige denn bewusst, verfolgen.

Ein Ziel in diesem weichen Sinn ist das noch nicht verwirklichte Potential einer Sache, über welches diese aufgrund ihrer aktuellen Beschaffenheit verfügt.

Die Finalursachen geben also die Entwicklungsmöglichkeiten einer Sache an. Und da alles, was veränderbar ist, über ganz bestimmte Entwicklungsmöglichkeiten verfügt, die durch seine aktuelle Beschaffenheit definiert sind, verfügt alles, was veränderbar ist, auch über Finalursachen in diesem Sinne. Was dagegen prinzipiell unveränderbar ist – wie die Reihe der Primzahlen – verfügt über keine Finalursache.

Wozu wir Finalursachen brauchen

Die Bedeutung der Finalursachen zeigt ein Blick in die Philosophiegeschichte. David Hume, einer der Väter des modernen Empirismus und Liberalismus, sah Ursache und Wirkung als „lose und getrennt“ an.

Für ihn ist es letztlich eine unbegründete und vor allem unbegründbare Annahme, dass ein- und dieselbe Ursache immer ein- und dieselbe Wirkung hervorbringen sollte. Nun ist es genau diese Annahme, auf der die moderne empirische Wissenschaft basiert.

Nach Hume hängt also die gesamte moderne empirische Wissenschaft an einem seidenen, unbegründeten und vor allem prinzipiell unbegründbaren, Faden.

Demgegenüber erklärt Aristoteles Kausalität damit, dass Ursache und Wirkung eben nicht „lose und getrennt“ sind, sondern im Gegenteil als Wirk- und Finalursache miteinander verbunden und aufeinander bezogen sind.

Aus diesem Grund wird ein- und dieselbe Ursache immer ein- und dieselbe Wirkung hervorbringen, sofern nicht ein weiterer Faktor hinzutritt, der das verhindert. Während empirische Wissenschaften Kausalität lediglich beobachten können, erklärt das philosophische Konzept der (Wirk- und) Finalursachen, was Kausalität eigentlich ist.

Das besondere an Lebewesen ist ihre, zumindest teilweise, immanente Wirkweise. Das heißt sowohl Ursache wie Wirkung liegen (zumindest teilweise) in ihnen selbst. Sie wirken auf sich selbst ein.

Das Ziel (griech.: telos, daher Teleologie) oder die Finalursache ihres Wirkens ist dabei die volle Entfaltung ihres ihnen eigentümlichen Potentiales: ihre Natur.

References

References
1Feser, Edward, Scholastic Metaphysics. A Contemporary Introduction, editiones scholasticae vol. 39, Heusenstamm Deutschland 2014, S. 89.
2Ebd. 89-91.