Was bedeutet Gemeinwohl?

Das Gemeinwohl ist ein Prinzip der katholischen Soziallehre und steht damit auf einer Stufe mit Personalität, Solidarität und Subsidiarität.

Gemeinwohl meint „die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen“ (LS 156).

Gemeinwohl bedeutet also nicht die Unterordnung der Bedürfnisse und Rechte des einzelnen unter die Interessen eines Kollektivs oder des Staates, wie es in totalitären Systemen geschehen ist und immer noch geschieht. Es geht also nicht darum, den einzelnen irgendwelchen angeblich übergeordneten Interessen zu opfern. Das Gemeinwohl dient im Gegenteil dem einzelnen – jedem einzelnen.

Das Gemeinwohl dient aber nicht dem Wohl abstrakter, von jeglicher sozialer Bindung entkoppelter Individuen. Das Gemeinwohl dient dem Wohl der konkreten Personen, welche das Gemeinwesen bilden.

Da diese konkreten Personen zu konkreten Gruppen gehören – Familien, Nachbarschaften, Vereinen und Verbänden,… – und ihr Wohl mit deren Wohl auf das engste verbunden ist, dient das Gemeinwohl auch dem Wohl dieser Gruppen.

Gemeinwohl

Das Gemeinwohl zielt also nicht auf eine immer umfassendere Emanzipation des einzelnen aus seinen sozialen Bindungen. Das Ziel ist nicht eine vollkommen atomisierte Gesellschaft losgelöster Individuen. Das Ziel ist vielmehr, dass der einzelne in und mit seinen verschiedenen Gemeinschaften wächst – die eigene Vollendung erreicht. Das Gemeinwohl ist die Summe jener Bedingungen, die das fördert. Es ist Pflicht des Staates – und der Gesellschaft als ganzer – „das Gemeinwohl zu verteidigen und zu fördern“ (LS 157).

Gemeinwohl und die Option für die Armen

Ein wesentlicher Aspekt des Gemeinwohls ist das Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter. Damit ist im Kern das gemeint, was im Kontext des Grundgesetzes als Sozialbindung oder Sozialpflichtigkeit des Eigentums bezeichnet wird.

Der Gedanke dahinter: Die Güter der Erde sind allen Menschen zum Gebrauch anvertraut. Privateigentum ist eine Form, wie dieser Gebrauch ganz praktisch organisiert werden kann. Es ist aber nicht die einzige Form. Neben Privateigentum und Staatseigentum ist auch an Allmende zu denken. Und vor allem wiegen private Eigentumsrechte nicht schwerer als die angemessene Teilhabe notleider Menschen an den Gütern der Erde. Hieraus folgt daher die vorrangige Option für die Armen. Der Einsatz für das Gemeinwohl verlangt also, zuallererst die Belange der Ärmsten im Blick zu haben und für diese einzutreten. (LS 158)

Da sich das Gemeinwohl nicht auf das Wohl der gegenwärtig lebenden Generationen beschränkt, sondern auch das Wohl künftiger Generationen umfasst, ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Gemeinwohls die Generationengerechtigkeit (LS 159ff), die einen nachhaltigen Umgang mit den Gütern der Erde verlangt.