Was ist Distributismus?

Ein personalistisches Menschenbild hat Folgen für Wirtschaft und Wirtschaftspolitik.

Ein abstrakter Individualismus begünstigt eine theoretische oder rein formale Freiheit, die in der Praxis auf die reale Freiheit lediglich einer Minderheit und die Abhängigkeit der große Masse hinausläuft, wie sie typisch für liberal-kapitalistische Systeme ist. Kollektivismus negiert, wenn nicht in der Theorie, so doch defacto selbst diese theoretische oder rein formale Freiheit.

Papst Franziskus formuliert dies in „Laudato si“ so:

„Eine rein theoretische wirtschaftliche Freiheit, bei der aber die realen Bedingungen verhindern, dass viele sie wirklich erlangen können, und bei der sich der Zugang zur Arbeit verschlechtert, wird für die Politik zu einem widersprüchlichen Thema, das ihr nicht zur Ehre gereicht.“
(LS 129)

Einer personalistischen Anthropologie entspricht daher im ökonomischen Bereich der Distributismus.

Distributismus

Der Distributismus zielt auf die reale Freiheit eines möglichst breiten Personenkreises. Möglichst viele Menschen sollen für ihren Lebensunterhalt weder von staatlichen Transferleistungen noch von einem Arbeitgeber abhängig sein. Möglichst viele Menschen sollen ihre Arbeit als einen Bereich erfahren, den sie in Freiheit selbst gestalten können und deren Früchte zuerst ihnen selbst und ihren Familien zu Gute kommen.

Möglichst viele sollen auf diese Weise die Erfahrung machen, wirtschaftlich Verantwortung für sich selbst, ihre Familie und die Allgemeinheit zu übernehmen. Dies fördert auch die Fähigkeit und Bereitschaft, politisch Verantwortung für die Allgemeinheit zu übernehmen und stärkt auf diesem Weg Demokratie und politische Freiheit.

Distributismus: möglichst breite Streuung von Produktionsmitteln

Der Weg dorthin führt über eine möglichst breite Streuung des Privateigentums an den Produktionsmitteln (vgl Rerum Novarum 46), etwa durch die Förderung von Existenzgründungen oder die Gründung von Genossenschaften und Kooperativen.

Die breite Streuung des Privateigentums an den Produktionsmitteln wirkt der Zunahme sozialer Unterschiede und daraus folgender sozialer Gegensätze und Spannungen entgegen. Sie dient damit dem sozialen Frieden und verwirklicht eine (relative) soziale Gleichheit ohne dieser die wirtschaftliche Freiheit zu opfern.

Die breite Streuung des Privateigentums an den Produktionsmitteln erlaubt es möglichst vielen, ihre wirtschaftliche Tätigkeit an den konkreten Bedürfnissen ihrer Familie auszurichten und stärkt so Ehen und Familien, wohingegen die Dominanz der abhängigen Beschäftigung dazu tendiert, die Bedürfnisse der Ehen und Familien den Interessen der Arbeitgeber unterzuordnen.

Distributismus: Hilfe zur Selbsthilfe

Ein weiterer Fokus des Distributismus liegt auf Hilfe zur Selbsthilfe. Statt paternalistischer und etatistischer Lösungen sollen Formen genossenschaftlicher Selbstabsicherung, aber auch -regulierung greifen.

Solidarität wird auf diese Weise nicht als anonymer Verwaltungsakt erlebt, sondern lokal, dezentral, personal und konkret. Hilfe kann bedarfsabhängig und akut geleistet werden. Die Verantwortung hierfür liegt bei den Genossenschaftlern selbst. Demokratische Selbstorganisation stärkt das politische und bürgerschaftliche Bewusstsein und damit die Demokratie als Ganzes.

Genossenschaftliche Selbstregulierung wirkt dem Marktdruck auf soziale, ökologische und Qualitätsstandards entgegen und eröffnet den Betrieben den erforderlichen Raum, diese zu erhöhen, ohne dadurch ihre wirtschaftliche Existenz zu gefährden.

Auf diese Weise wird die Zivilgesellschaft gestärkt, anstatt dass sich Staat und Markt gegenseitig die Bälle zuwerfen. (vgl. Caritas in Veritate 38 u. 39) So kann eine Kultur der Unentgeltlichkeit, Solidarität und Gegenseitigkeit  (vgl. Fratelli tutti 152) wachsen.